Eine Frage der Haltung
Im Verständnis der Stadterneuerung ist Beteiligung ein alltägliches und selbstverständliches Instrument der Planung und Projektentwicklung. Schließlich werden die Maßnahmen in den Fördergebieten dadurch besser, nachhaltiger und nachvollziehbarer. Außerdem besteht aufgrund der Fördermittel ein hoher Anspruch, diese Gelder auch wirklich bedarfsgerecht einzusetzen. Beteiligt werden die Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe, und dies nicht nur punktuell und bezogen auf einzelne Projekte, sondern – zeitlich und räumlich weitreichend – auch immer in Bezug auf ein gesamtes Fördergebiet und dessen Laufzeit von mindestens zehn Jahren.
Erfahrungen und wachsendes Wissen
Seit 2012 sind die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie eine integrierte, gesamtheitliche Betrachtungsweise auch formal eine zwingende Voraussetzung für die Bewilligung von Mitteln der Städtebauförderung. Schon vorher wurden in Stuttgart – beginnend mit dem Hospitalviertel – alle neuen Fördergebiete mit Beteiligungsprozessen entwickelt. Die Mitsprache der Bürger beginnt schon bei den vorbereitenden Untersuchungen, die der Festlegung eines Fördergebiets vorausgehen. Und sie soll nach Ablauf des Förderzeitraums von in der Regel zehn Jahren nicht zu Ende sein. Es ist ein Anspruch der Stadterneuerung, die ehrenamtlichen Strukturen der Beteiligung über das eigene Wirken hinaus zu verstetigen.
Die Erfahrung von über fünfzehn Jahren der intensiven Beteiligung hat gezeigt, dass jeder Stadtteil seine eigenen Besonderheiten, Ressourcen, Kommunikationswege und Stärken hat. Es wird deshalb im Rahmen der Beteiligung nie mit den gleichen Mustern und Standards vorgegangen. Wesentliche Voraussetzung für gelingende Beteiligung ist vielmehr eine große Offenheit und Flexibilität der Verwaltung gegenüber den jeweiligen lokalen Eigenheiten. Dank dieser Bereitschaft verfügt die Stadterneuerung inzwischen über ein umfangreiches Wissen zu Bürgerbeteiligung in allen ihren Fragestellungen und Facetten.
Wichtige Fragen der Beteiligung
Im Aufbau und bei der Steuerung von Beteiligungsprozessen gilt es fortlaufend, die richtige Balance zwischen der informellen Demokratie (also offene Beteiligungsformen aller Art) und der repräsentativen Demokratie (gewählte, in der Gemeindeordnung geregelte Gremien) zu finden. Dies gelingt nicht immer ohne Reibungen. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe, in den ehrenamtlichen Gremien und Initiativen der Fördergebiete für das richtige Verständnis von Beteiligung zu sorgen. Wichtige Voraussetzungen sind hierbei
- die Klärung der unterschiedlichen Rollen und Mandate,
- das Bewusstsein über die Entscheidungsspielräume und die Beteiligungsgrenzen
- und die frühzeitige Festlegung, was mit den Ergebnissen der Beteiligung geschehen soll.
Inzwischen kann man schon fast von einer Tradition der Beteiligung bei der Stadterneuerung sprechen. Es gibt dennoch auch Fragestellungen, die sowohl in Stuttgart als auch bundesweit noch nicht gelöst sind. So besteht immer die Gefahr einer sogenannten Beteiligungselite, bei der besonders die sozial benachteiligte Bevölkerung ausgeschlossen ist. In Stuttgart werden deshalb immer wieder neue Formate entwickelt und Partner gesucht, um diese „stillen Gruppen“ zu erreichen. Auch gibt es in Politik und Verwaltung noch nicht überall ein ausreichendes Bewusstsein für den erhöhten Bedarf an Ressourcen, der durch den wachsenden Anspruch auf Beteiligung entsteht.
Von den Inseln zum Kontinent
Waren die ersten Gebiete des Programms „Soziale Stadt“ noch Inseln der Beteiligung, so wachsen diese Flecken mit der Hinzunahme neuer Fördergebiete allmählig zusammen. Längst kommen auf Initiative auch der anderen Abteilungen des Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung immer mehr Projekte und Gebiete außerhalb der Städtebauförderung hinzu. Das betrifft ganze Stadtteile oder Bezirke, zum Beispiel beim Rahmenplan für Plieningen, oder auch einzelne Projekte von besonderem öffentlichen Interesse, zum Beispiel das Olga-Areal. Damit einher geht die Herausforderung, die vielen Ansprüche und den hohen Aufwand von Beteiligung auch in der Fläche möglich zu machen. Die Stadterneuerung sucht deshalb inzwischen Partner in den Gebieten selbst, um mit diesen lokalen Ressourcen den Aufgabenzuwachs wenigsten zum Teil abzudecken. Beispielhaft seien die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Forum Hospitalviertel e.V. oder der Gemeinwesenarbeit am Stöckach genannt.
Der Erfolg gibt uns recht
Beteiligung und somit der Ausgleich vieler Interessen bedeutet nicht, dass in den Projekten der Stadterneuerung nur noch ein kleinster gemeinsamer Nenner erreicht werden kann. Im Gegenteil, – durch das gemeinsame Nachdenken über eine Aufgabe entstehen häufig neue und prägnante Lösungen. Die mutige und selbstbewusste Farbgebung des Bürgerhauses in Stuttgart-Rot wurde mit Beteiligung entwickelt, das innovative Konzept einer mobilen Bestuhlung für den neu gestalteten Hospitalplatz wurde von der Bürgerbeteiligung ausdrücklich gefordert.
Doch der größte Erfolg der Beteiligung in den Fördergebieten liegt auf einer anderen Ebene: Dort entwickelt sich ein neues Verhältnis zwischen Bevölkerung und Stadtverwaltung. Mit der Bereitschaft für die gemeinsame Verantwortung entsteht in den Gebieten der Stadterneuerung ein positives und eigenverantwortliches Selbstverständnis als Stadtgesellschaft.
Online-Beteiligungsportal der Stadt Stuttgart
Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung
Zuletzt aktualisiert am 16.10.2018 von admin1.